Katrin von Mengden-Breucker und Marius Breucker im Austausch mit SBnet
Was Bergsteiger und Literaten äußerlich trennt und innerlich verbindet, wie sich in der Wahrnehmung der Berge die menschliche Kulturgeschichte spiegelt, wie man vom Bergsteigen zum „Bergschreiben“ gelangt und wie dies alles auf der Website bergzitat.de zusammen- und zum Ausdruck kommt – darüber tauschten sich Katrin von Mendgen-Breucker und Marius Breucker mit SBnet aus.
Literarisch-alpine Schnittmengen
Literaten und Bergsteiger – die auf den auf den ersten Blick so unterschiedlichen Typen haben bei näherer Betrachtung doch zahlreiche Gemeinsamkeiten und beachtliche Schnittmengen: Das gilt einmal persönlich: Zahlreiche Schriftsteller gingen in die Berge – und nicht wenige Bergsteiger kehrten als Schriftsteller vom Berg zurück. Das gilt aber auch inhaltlich, wenn beim Schreiben wie beim Steigen ein Prozess der Selbstreflexion ausgelöst und nähere Bekanntschaft mit dem eigenen Ich geschlossen wird.
Auf bergzitat.de versammeln die Stuttgarter Katrin von Mengden-Breucker und Marius Breucker steigende Literaten und schreibende Alpinisten in Zitaten, Kurzbiographien und begleitenden Erläuterungen. Der Alpengänger Hermann Hesse kommt ebenso zu Wort wie Max Frisch, der seine Bergerlebnisse feuilletonistisch verarbeitete. Auch wenn Klassiker wie Goethe auf seinen Schweizer Reisen und namentlich auf dem Gotthard und Friedrich Nietzsche im Oberengadin als „Spaziergänger von Sils-Maria“ nicht fehlen, liegt der Charme von bergzitat.de doch nicht zuletzt in unbekannteren Autoren wie dem begnadeten Bergführer Christian Klucker, der seine Erlebnisse aus der Anfangszeit des Alpinismus in den „Erinnerungen eines Bergführers“ festhielt. Und in den kleinen Querverbindungen zwischen Berglandschaften und Literaten, die man üblicherweise mit anderen Sujets und Landschaften konnotiert, wie dem Autor der norddeutschen Küstenlandschaft Theodor Storm oder dem Herausgeber der Satire-Zeitschrift „Kladderadatsch“ Johannes Trojan.
Zitate und Hintergründe zu klassischen Bergsteigerberichten wie Jon Krakauers „In eisige Höhen“ über das folgenschwere Drama am Mount Everest 1996 finden sich ebenso wie die reflexiven Gedanken eines Peter Habeler. Auch frühe Protagonisten des Bergsteigens kommen zu Wort wie George Mallory oder der Erstbesteiger des Mount Everest, Sir Edmund Hillary.
Wandernder Streifzug auf wenig beachteten Wegen
Biographische Bergsteigerberichte sind aber nur eine Seite der Medaille: Berge bilden auch die Kulisse für Lyrik, Erzählungen und Dramen von Autoren, die selbst keine spezifische Bergerfahrung haben. Man denke nur an Georg Büchners „Lenz“ („Den 20. ging Lenz durch’s Gebirg“) oder Friedrich Hölderlins allegorische Dichtungen („Die Linien des Lebens sind verschiedene | wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen“). Zu Wort kommen auch Literaten, die selbst nie in den Bergen waren und doch darüber schrieben, wie Friedrich Schiller in seinem „Berglied“ oder im klassischen Berg- und Freiheitsdrama „Wilhelm Tell“.
Die Seite „bergzitat“ verstehe sich denn auch nicht als enzyklopädische Sammlung, sondern als kleiner, wandernder Streifzug, bei dem auch wenig beachtete Wege erkundet, unscheinbare Abzweigungen genommen und Zufallsfunde aufgegriffen werden, so Katrin von Mengden-Breucker. Der Leser sei eingeladen, seine Augen und Gedanken schweifen zu lassen und dabei das ein oder andere vertraute Wort, aber auch Neues zu entdecken. Die Seite wandle sich ständig, und wie in den Bergen könne man zwar einen Tourenplan fassen, müsse aber jederzeit bereit sein, davon abzuweichen.
Dass in den Bergen durchaus Inneres zutage gefördert und auch „große Gedanken“ geboren werden – wie dies etwa Friedrich Nietzsche gerne betonte -, brauche nicht zu einer Überhöhung des Bergsteigens zu führen, meint die in Stuttgart lebende Herausgeberin. Nicht jede herausfordernde Bergtour, nicht jede Bergwanderung müsse eine über die schlichte Freude an der Natur und der Bewegung hinausgreifende Bedeutung haben. Berge und Literatur passten zwar gut zusammen, könnten aber auch ganz gut ohne einander existieren.
„…keinen Kummer, den man nicht hinweggehen kann.”
Die Wahrnehmung der Berge wurde und wird bis heute literarisch geprägt. Den als gefährlich und unzugänglich geltenden Bergen näherten sich die Menschen zunächst zaghaft an und stießen nach und nach weiter vor, bis sie schließlich die ersten Gipfel erklommen. Geistig erschlossen wurden die Berge mit den ersten Berichten solcher Besteigungen.
Die Schilderungen etwa eines Francesco Petrarca von der Besteigung des Mont Ventoux im Jahr 1336 prägten kulturgeschichtlich die Wahrnehmung der Berge und legten den Grundstein für das Bergsteigen und die alpine Literatur wie wir sie heute kennen – bis hin zum modernen Alpinismus und der boomenden Bergsteigerliteratur mit all ihren Auswüchsen.
Wer Freude sowohl an den Bergen als auch an der Sprache hat, wird auf „bergzitat“ sicherlich fündig und wird auch das Interview mit Gewinn lesen. Und wer in der reich bebilderten Lektüre keine Anregung findet, der könne es, so Katrin von Mengden-Breucker auf die Frage nach ihrem Lieblings(berg)zitat, schlicht mit Sören Kierkegaard halten: “Ich habe mir meine besten Gedanken ergangen und kenne keinen Kummer, den man nicht hinweggehen kann.”
Bericht
E. Richter (eri)
(Stuttgart und München)
Katrin von Mengden-Breucker und Marius Breucker über Berge, Zitate und Bergliteratur
Zum SBnet-Austausch mit Katrin von Mengden-Breucker und Marius Breucker:
Katrin von Mengden-Breucker über Bergzitate und das „Bergschreiben“